Halbtrocken in ein neues Leben
Veröffentlicht am 14.05.2022
in Ludwigsburger Kreiszeitung
Am Bahnhofsplatz in Kornwestheim reihen
sich Billigshops und Pinten aneinander,
in denen es sich schnell einen über
den Durst trinken lässt. Doch die Immobilie
mit der Nummer 10 ist anders, sie ist
der Treffpunkt für Gestrandete, die den
Suff hinter sich lassen wollen. In dem
Haus hält der Kreisdiakonieverband ein
Angebot vor, das den sperrigen Titel Psychosoziale
Beratungs- und ambulante Behandlungsstelle
für Suchtgefährdete und
Suchtkranke trägt, kurz PSB. Herbert
Wurst, 66, Amtsrat im Ruhestand aus dem
Ludwigsburger Stadtteil Schlösslesfeld, ist
regelmäßig hier.
Der groß gewachsene Pensionär, silberfarbene
Haare, Kinnbart, Brille, Jackett zur
Jeans, hat seinem Körper viel zugemutet.
Wurst trank lange mehr als 40 Flaschen
Bier in der Woche. Morgens, wenn er benommen
ins Bad wankte, dröhnte ihm der
Kopf. Die Schmerzen ließen auch nicht
nach, als er mit der Dusche fertig war. Seine
Arbeit im Landratsamt in Heilbronn erledigte
er leidlich. Immerhin: Zu Filmrissen
und Abstürzen kam es nicht. Die Leberwerte?
In Ordnung, attestierten ihm
die Ärzte. „Ich habe aus Gewohnheit zur
Flasche gegriffen“, sagt Wurst im Gespräch
mit unserer Zeitung.
Es reifte in ihm allerdings die Erkenntnis,
dass es so nicht weitergehen konnte.
Dass der Alkohol wie eine betäubende, alles
erstickende Watte wirkte. In der Zeitung
las er vor gut sechs Jahren eine Annonce:
Einsteigerkurs zum kontrollierten
Trinken. „Das klang fast zu schön, um
wahr zu sein“, sagt Wurst. Er guckt aus
dem Fenster, unter ihm rattern S-Bahnen
in den Bahnhof. Auf der anderen Seite
sind die Hallen der alten Salamander-
Schuhfabrik zu sehen, in denen schon eine
Verwandte schaffte.
Kontrolliertes Trinken also, abgekürzt
KT. Vereinfacht ausgedrückt geht es darum:
Suchtkranke, unter die sich der Pensionär
Wurst subsumiert, ohne zu zögern,
setzen sich mit Hilfe eines Experten ein individuelles
Ziel, wöchentlich nur noch eine
bestimmte Menge Alkohol zu trinken.
Bei Wurst sind das fünf oder sechs Flaschen
Bier. An mindestens zwei Tagen in
der Woche bleiben die kontrollierten Trinker
trocken.
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