Mit 70 Jahren mitten im Sturm
Veröffentlicht am 23.04.2019
in Ludwigsburger Kreiszeitung
Ob sie denn nicht zum Kirchenkaffee
mitkommen wolle,
fragt die Nachbarin, als
sie Ute Korn (Name von der
Redaktion geändert) auf der
Straße trifft. Sie lade sie herzlich
ein, jeder, der dorthin komme, habe einen
Unkostenbeitrag von fünf Euro zu entrichten.
Ute Korn würde gern kommen, doch sie muss
ablehnen: „Ich kann die fünf Euro nicht bezahlen“,
antwortet sie.
Ute Korn gesteht an diesem Adventstag gegenüber
der Nachbarin ein, dass sie arm ist.
Die 70-Jährige hat nicht genug Geld, um das
Kirchenkaffee zu besuchen; nicht genug, um
ins Kino oder Theater zu gehen, um Urlaub zu
machen, Freund- oder Bekanntschaften zu
pflegen; nicht genug, um die Bahnfahrt zu ihrem
Bruder nach Norddeutschland zu zahlen.
Zum Friseur kann sie nur dann gehen, wenn
sie am Monatsende noch Lebensmittelreserven
hat – „vom Keller leben“ nennt Korn das.
Als die Rentnerin nach einer Grauen-Star-
Operation pro Auge etwa 65 Euro zahlen
musste – für die Abmessung der Linsen und
für Tropfen –, musste sie die selbst zahlen und
dafür auf das Haareschneiden verzichten.
Denn nach den außerplanmäßigen Ausgaben
war kein Geld mehr übrig.
Ute Korn hat ein Kind großgezogen, zwei
Hochzeiten und zwei Scheidungen hinter sich;
sie ließ sich zur Industriekauffrau ausbilden,
absolvierte einen EDV- und Buchhaltungskurs,
arbeitete in mehreren Unternehmen als
Sekretärin. Sie hat sich, wie sie sagt, „immer
selbst durchgeboxt“, hat sich durch die Stürme
ihres Lebens gekämpft, musste ihre Heimat
verlassen, suchte nach Wohnungen und
Arbeitsstellen, zeigte Willen und Einsatz, wie
sie betont. Jetzt, im Alter, kann sie sich, wenn
es besonders schlecht läuft, keinen
Friseurbesuch leisten.
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